Erfahrungsarchitektur und Ich – Benedikt Steiner, Erfahrungswandler, Dichter & Performer

„Wir können Häuser bauen, aber nicht das Wohnen in ihnen.“

© Patrick Tafner

Was ist Erfahrungsarchitektur für Dich?

ich baue keine Häuser
und schaffe trotzdem Wohnraum
ich baue aber auch keine Erfahrungen
sondern, wenn überhaupt, nur Türen
zu Erfahrungs/räumen
die von selbst entstehen, sobald die Tür geöffnet, innerhalb
von Subjekten mit der Möglichkeit, Erfahrungen zu machen (erfahren zu werden von…)
also bin ich womöglich Türenbauer oder teilweise, zeilenweise zumindest Zimmermann
auf Wanderschaft. wir können Häuser bauen aber nicht das Wohnen in ihnen
zudem: die Erzeugung einer gesteigerten Unmittelbarkeit (das Wirkliche wirklicher machen)
die Produktion von offenen Enden

Für wen baust du Erfahrungen?

für alle
(die ein wenig Zeit mitbringen oder mehr)

Warum baust Du Erfahrungen? Worauf legst du wert?

um Welt/en nicht nur an mir vorbeiziehen zu lassen
sondern Erlebtes anzureichern mit Eigenem und die Fühler auszustrecken
hin zum anderen
vlt. sogar um Erfahrungen zu transformieren, umzuwandeln
Erfahrungswandler also
aber auch, um Welt/en nicht kommentarlos bestehen zu lassen oder gar schweigend hinzunehmen,
sondern den Schieflagen etwas entgegenzusetzen! (dem Wirklichen das Mögliche entgegenhalten)
das Gedicht als Bedürfnis und Notwendigkeit, erlebte Intensitäten erfahrbar zu machen
Wert legen auf: die jeweilige Form, in der ich gerade schreibend mich befinde. idealerweise die verschränkte
Entwicklung von Inhalten und Formen zu in sich stimmigen Gebilden

Wie funktioniert es? Was sind deine Werkzeuge?
Welche Stilmittel und Strategien setzt Du ein um Erfahrungen zu bauen?

(Wie) Kann Erfahrungsarchitektur die Welt retten?

also: wenn ich Architekt wäre, dann würde ich meine Räume verschenken und ich würde Brachland mir unter den Nagel reißen und dort ganz viele so kleine Wohncontainerchen bauen (lassen). aber richtig schöne, gut ausgestattete, mit großen Fenstern, mit allem drum und dran und aus hochwertigen Materialien gemacht. für all diejenigen, die Wohnungsnot haben, kein Dach über dem Kopf oder auch einfach mal kurz ’ne Pause brauchen oder ’nen Miniurlaub in der Stadt, in der sie wohnen. und das wäre alles gratis. so ließe es sich leben und zwar für die Vielen und nicht nur für ein paar wenige, denen das Glück einer günstigen Ausgangslage zuteil wurde

Mehr zu Benedikt Steiner und seiner Arbeit hier: Website
 

Toy Design meets Experience Architecture

Play value is what motivates people to start playing, to continue and elaborate the play activity, what makes them feel satisfied when they stop and what makes them return to the activity.

One can look at Experience Architecture (EA) from many different angles and disciplines. Art, Advertisement, Theatre, Politics, all over the place specialists try to create experiences. This article focuses on the discipline of Toy Design and how experiences are created and evaluated in this field. Mathieu A. Gielen wrote an interesting paper aiming at the challenges of designing experiences through toys.

3 Major concepts for Experience Architects: Aimlessness, Empathy and Play value.

The paper describes three major concepts that are not only valid in the field of toy design but can be easily adapted to other fields of EA. Think about a performative intervention or an artwork in a museum – most of the time you can find at least one of the below mentioned components. Let´s start with a short summary: Aimlessness describes the idea of creating an experience without hoping to have a concrete result. It´s about the process and there are unlimited ways of how to reach the possible personal goal(s) of the recipient. Gielen mentions two approaches of how to create „aimless experiences“: On the one hand Experience Architects are invited to switch regularly in between the different perspectives of the architect, the parents/recipients and the child. On the other hand the author mentions a diagram of behaviour types based on Kolb (1984). Within this diagram Experiences can be positioned and specifically adapted to a larger target group.

Diagram of behaviour types, Kolb, 1984

When it comes to the second concept, empathy, Gielen criticises (over)analysing children/recipient behaviour. There might me the danger of deconstructing the „phenomenon child/recipient“ in a too technical way. He suggests to find one or more recipient ambassadors in the direct surrounding who/which act as ambassadors for a larger group of recipients.

„Play, is directed towards the experience itself, more than to achieving a specific lasting result.“ The third concept is the play value. Following the author different elements are critical to achieve play value in experiences:

Behaviour types: Experiences do not have to interest every person. Individual preferences, interests, knowledge, skills or character are relevant for the connectivity of a experience. The Experience Architect is free to decide wether to adapt the Experience to a wider group or not.

Types of play: The author mentions Vermeer (1972) and Vedder (1977) to analyse various types play that work for different (age-)groups. Some Experiences might be easily compatible other not.

Levels of complexity: Experiences can also be adjusted in their complexity. Csikszentmihalyi´s concept of flow is perfectly suitable to locate one´s experience regarding that factor.

Concept of flow, Csikszentmihalyi, 1975


Read the full article HERE.

*Kolb, D.A. (1984): Experiential learning: Experience as the source of learning and development, New Jersey: Prentice Hall. **Vermeer, E.E.A. (1972) Spel en spelpaedagogische problemen, Utrecht: Bijleveld. ***Vedder, R. (1977) Observatie van kinderen, Groningen: Wolters-Noordhoff.****Csikszentmihalyi, M. (1975) Beyond boredom and anxiety: experiencing flow in work and play, San Francisco: Jossey-Bass Publishers.

Supernormal Stimulus

..or: How artists try to get the viewer to have an enhanced experience.

When it comes to Experience Architecture, Neuroesthetics (Neural bases for the contemplation and creation of a work of art) might come to your mind.

Vilayanur S. Ramachandran* developed eight laws of artistic experience hoping to find a mechanism to explain how we perceive artworks. One of them is the Peak Shift Principle. Following the magnificent explanation on wikipedia the principle is best explained by the example of training a rat. If you want a rat to discriminate a rectangle from a square, you best reward the rat whenever it choses the rectangle. The interesting thing is: As soon as the rat recognises the rectangle as the better option, one can build a „Super-Rectangle“ (longer and more narrow – therefore more explicitly a rectangle) to enhance the intensity of the rat´s response. A supernormal stimulus is created.

Artists often capture the very essence of something to create this kind of effect. On purpose or not – the impact on the viewer is explicit.

Chuck Close Mark 1978 – 1979

*Ramachandran, V.S.; Hirstein, William (1999). „The Science of Art: A Neurological Theory of Aesthetic Experience“ (PDF). Journal of Consciousness Studies. 6 (6–7): 15–51.

ASMR – Autonomous Sensory Meridian Response

A way of putting words to feelings.

“ASMR – a global internet based phenomenon. People making strange videos and audio that provokes sensations, provokes the body in new ways, creating new kinds of digital intimacy. Creating new ways for us to connect.” Kieran Long – Director, ArkDes

Erfahrungsarchitektur und Ich – Tatjana Schimkat, Designerin

„Zum Wäsche waschen müssen wir alle in den Keller.“

Was ist Erfahrungsarchitektur für Dich?

Heute habe ich eine Erfahrungsarchitektur gemacht. Gestern ist es mir passiert und morgen werde ich sie suchen.

künstlich – Für mich ist Erfahrungsarchitektur nicht fix. Sie existiert real und auch in der Vorstellung. Mit der eigentlichen Architektur hat sie insofern nur gemeinsam, dass in beiden Fällen etwas künstlich erschaffen wird: im Geist oder in der Realität/von mir selber oder von jemand Anderem. Damit ist sie ortsunabhängig, frei verfügbar und frei von einer Gewinnorientierung/Ergebniserwartung. Eigentlich kann nicht mal eine Erfahrung erwartet werden.

selbst / fremd – Ich kann selber ein Haus bauen, eine Wohnung anmieten oder einfach die nächstbeste Höhle beziehen. Das Bauen steht für die eigengestaltete, das Mieten für eine fremdgestalte und die Höhle für eine natürlich vorhandene und im Geist gestaltete Erfahrungsarchitektur.

individuell / kollektiv – Erfahrungsarchitektur ist ein individuelles Erlebnis, das dennoch geteilt werden kann. Klaro. Es wohnen ja auch mehrere Parteien in einem Mietshaus. Zum Wäsche waschen müssen wir alle in den Keller. Wir machen da alle die gleiche Erfahrung, oder? Mich stört das nicht, aber Frau Braun hasst den Geruch da unten, während Frau Knoppe noch nicht einmal weiß wo der Keller ist und von Hand wäscht.
Ich und Ulli oder Ulli und ich wohnen jetzt aber in einer Höhle. Da geht es uns aber wie Frau Braun und Frau Knoppe: wir wohnen beide da, aber fix nicht in der gleichen Höhle!

impuls – Er hat zum Beispiel noch nie die Wände angefasst. Ich schon. Morgen fordere ich ihn dazu auf. Ich glaube er wird sie auch als rau empfinden oder so etwas Ähnliches sagen. Aber ist sein rau mein rau? Es wird ein nettes Experiment, eine geteilte Erfahrung. Ein Impuls

bedeutung – Vielleicht versuche ich ihm mein rau zu beschreiben, vielleicht ist es aber auch egal und wir teilen nur. Ich werde mich daran erinnern, weil mich diese Wand beschäftigt. Ulli hat es mehr mit dem Boden, aber vielleicht ändert sich das auch, wenn er die Wand anfasst.

sinne – Ist die Vorstellung auch ein Sinn? Dann würde ich nämlich definitv festlegen, dass Erfahrungen mit den Sinnen gemacht werden. Also mit Ohren, Augen, Nase, Haut und auch Herz und Kopf. Das spielt da irgendwie alles zusammen.

übung – Das ist so etwa das was mir in den Kopf kommt, wenn ich an Erfahrungsarchitektur denke. Für eine Höhle muss man schon etwas offener sein. Vielleicht auch etwas Übung haben. Auch ein Hausbau ist nicht für Jeden erstrebenswert. Aber für Jeden machbar. Davon bin ich überzeugt. Es kommt ja nicht auf das Ergebnis an!

Welche Mittel/Strategien setzt Du in deinem Tun ein um Erfahrungen zu bauen?

Ich lege mich natürlich auf den Boden und erklettere die Türrahmen! Ehrlich. Perspektivenwechsel!

Kann Erfahrungsarchitektur die Welt retten?

Auf jeden Fall! Weil sie glücklich macht, die Sinne schärft und Flexibilität in Kopf und Herz bringt. Das Zeitalter der Vernunft ist vorbei! Es lebe die Erfahrung! Peace, love and happyness.

Der öffentliche Raum als Medium?

Oder besser die wandelbarste Bühne der Welt?

Erfahrungsarchitektur scheint grundsätzlich auf kein Medium beschränkt zu sein. So können Interventionen im öffentlichen Raum genau wie Fotos, Filme, Gegenstände, Bilder und so vieles mehr Erfahrungen erzeugen. Je nach Arbeitsstil und Zielgruppe können Medien ausgewählt oder auch verschränkt werden.

Der öffentliche Raum ist dabei für mich besonders spannend. Er kann sowohl Ausgangspunkt als auch Kulisse für Intervention sein. Im Gegensatz zu Theater oder auch Performance spielt dabei das Unplanbare eine zentrale Rolle. So können auftauchende Passanten zu zentralen Protagonisten, Regenschauer zu willkommenen Stimmungswechseln oder auch Sicherheitsorgane zu „Dramaturgieverstärkern“ werden. Eine grundsätzlich geplante Dramaturgie bestehend aus Text und platzierten Gegenständen und Personen wird so um einen unplanbaren Aspekt bereichert. Der Ausgang bzw. das entstandene Gesamtbild unterliegt somit zu einem wundervoll-prominenten Teil dem Zufall. Ein Wechselspiel in dem die Intervention den Raum und der Raum die Intervention beeinflußt. Vom Support-Medium zum Focus-Medium. Und wieder zurück.

Congruence-Association Model

Wenn man es genau wissen will …

… schnappt man sich das Congruence-Association Model (CAM-WN) von A.J. Cohen. Ursprünglich für die Frage entwickelt, welche Rolle der Musik im Film zukommt, eignet sich das Modell fantastisch auch für Erfahrungsarchitekturen in ganz anderen Bereichen.

Wie funktioniert das Modell?

In short: Auf Ebene C befindet sich das Narrativ – also die Form der Darstellung bzw. die Erzählung. Ein Film, ein Bild, eine Intervention… Ebene A stellt die jeweiligen Informationsebenen dar aus denen das Narrativ besteht. Bei einem Film wären dies Musik, Bild, Soundeffekte, Text und Sprache. Ebene E steht für das Langzeitgedächtnis des Rezipienten. Hier sammeln sich unsere bisherigen Erfahrungen und wir leiten darauf basierend unbewusst unser Handeln und unsere Erwartungen an die weitere Handlung ab. Die Pfeile zwischen den Ebenen bilden die entstehende Dynamik ab und lassen sich wie folgt lesen: Der dünne, gestrichelte Pfeil von Ebene A nach E steht für das unbewusste Aufnehmen, Abgleiche und Interpretieren der jeweiligen Information in unserem Gehirn. So sehen wir z.B. eine Person auf der Straße gehen und erwarten, dass sie sich „ungefähr durchschnittlich“ verhält, was bedeuten kann, dass sie weder übertrieben schnell noch übertrieben langsam geht. Weder auf einen Punkt starrt, noch durchgehend nach oben blickt. Wir weben ein feines Erwartungsnetz auf die Welt, in dem Handlungen oftmals erst auffallen, wenn sie diesem nicht entsprechen. Die Pfeile zwischen D und C stehen für diese, meist unbewussten Ableitungen, die wir beim Rezipieren des „Working Narratives“ anstellen. Die Pfeile zwischen B und C hingegen stellen die bewussten Interpretationen dar, die durch die Inputs auf Ebene A ausgelöst werden. Wir interpretieren das Gesehene, Gehörte, Gefühlte dabei subjektiv sowohl nach Struktur als auch nach deren semantisch-assoziativer Bedeutung.

Zusammenfassend also ein spannender Ansatz, um Erfahrungen zu planen oder aber auch in Nachhinein zu analysieren. Mehr dazu findet sich auch im Buch „The Psychology of Music in Multimedia“, Siu-Lan Tan Annabel J. Cohen Scott D. Lipscomb and
Roger A. Kendall, Oxford University Press, 2013.

Albrecht Dürer goes Erfahrungsarchitektur

1512 im Auftrag von Kaiser Maximilian I in Form einer riesigen Schauwand, die im Rezipienten neben maßloser Bewunderung auch seine Kaiserwürde inszenieren sollte. Size matters – in diesem Fall als Stilmittel ganz speziell: Mit 295 × 357 cm ist es einer der größten Drucke, die jemals hergestellt wurden. Erfahrungsarchitektur also auch historisch ein hoch interessantes Feld. Danke an Tatjana Schimkat / Website

Der originale Holzdruck wurde 1517 und 1526 in zwei Edition herausgegeben und u.a. in Rathäusern und Palästen montiert.

Hitchcock – Oldie but Goldie

„That´s what film can do for you.“

Das Medium Film etabliert sich als eines der wichtigsten Transportmittel für Geschichten, Inhalte und Botschaften. So wird mit jedem Ausschnitt eine Entscheidung getroffen, was bei den Betrachter*Innen hervorgerufen bzw. evoziert wird. Eine unglaubliche Vielzahl an Parametern steht zur Verfügung um eine Erfahrung zu kreieren. Story, Kulisse, Musik, Ton, Kameraeinstellung, Schauspiel, Schnitt, Farbkorrektur .. All das setzt sich im Idealfall zu einer fantastischen und mitreißenden Gesamtdramaturgie zusammen.

Hier ein unglaublich gutes Beispiel zum Thema Montage/Schnitt von Alfred Hitchcock Danke an Virgil Widrich / Website